Zoologische Sammlung der Universität Rostock

Die Zoologische Sammlung der Universität Rostock (ZSRO) ist Teil des Lehrstuhls für Allgemeine und Spezielle Zoologie am Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock, am schönsten Platz der Universitäts- und Hansestadt gelegen. Sie wurde 1775 gegründet und ist somit eine der ältesten dauernd bestehenden Einrichtungen der Universität. Ihre etwa 140.000 Serien von Originalbelegen aus dem Tierreich sind von internationaler Bedeutung für die Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Biodiversität und der Evolutionsforschung. Darunter befinden sich etwa 500 Typen, Referenzstücke für die erste Beschreibung und Benennung von Tierarten. Der Zugriff auf die Bestände wird durch EDV und gedruckte Kataloge fortlaufend verbessert.

Bestand

Der Bestand ist, lange Zeit ungeplant, mittlerweile gewachsen. Schwerpunkte sind Tiere des Meer-, Brack- und Süßwassers, Fische, Mollusken, Vögel und Insekten; bei letzteren u. a. Material der Entomologen A. RADDATZ, K. FRIEDERICHS und Fritz Paul MÜLLER (tätig 1955-1978). Bedeutende Belegsammlungen aus der neuesten Zeit betreffen Borstenwürmer (Polychaeta) von Andreas BICK, Insekten, Skorpione und Mollusken von Ragnar KINZELBACH und Hans POHL, Spinnen (Araneae) von Joachim HAUPT, Krebstiere (Crustacea) von Stefan RICHTER, Fische von Helmut WINKLER. Die Vogelsammlung wurde stark vermehrt, aus aufgelösten historischen Sammlungen an anderer Stelle, um Rohskelette aus Fundmaterial (KINZELBACH & SCHMITZ 2006). Besonderheiten sind z. B. der bekannte Rostocker Pfeilstorch von 1822 (ältester Beleg für den Fernzug von Vögeln, der seinerzeit einen Paradigmenwechsel auslöste, vgl. Kinzelbach 2005); Belege zur ältesten wissenschaftlichen Anatomie einer Amazonas-Seekuh (Manati, Trichechus inunguis), gesammelt von dem österreichischen Brasilienforscher NATTERER durch H. F. STANNIUS (vgl. KINZELBACH 2004); zwei Ichthyosaurier aus Holzmaden (s. u.); australische Tiere von dem in Rostock geborenen Botaniker Baron Sir Dr. Ferdinand VON MUELLER (1825-1896), Melbourne; u. a. Reptilien und Amphibien aus Amerika von dem aus LAAGE stammenden Kaufmann Theodor CORDUA (1796-1857), zeitweise der reichste Mann Amerikas; Reste der VON PASSOWschen Geweihsammlung aus Mecklenburg; Material aus der CHUNschen Tiefsee-Expedition; überregional bedeutsam ist die im Altbestand auf die großherzogliche Sammlung zurückgehende Molluskensammlung mit den „Linkschen Typen“ und mit einem reichen Bestand an Süßwassermuscheln aus der Westpaläarktis von R. Kinzelbach. Das ältere Material war, von Teil-Katalogen von TYCHSEN, LINK und BRAUN abgesehen, schlecht dokumentiert und wird erst jetzt Schritt für Schritt aufgearbeitet.

F. E. SCHULZE beschaffte Glasmodelle von Tieren der weltbekannten Fa. BLASCHKA und Wachsmodelle der Fa. ZIEGLER. Reichlich vorhanden waren auch Wandtafeln von LEUCKART, an deren Gestaltung mehrere Rostocker Professoren beteiligt waren. SCHULZE ließ schon hier sein Interesse an didaktischen Materialien erkennen, das er später in Berlin vertiefte und erweiterte (RICHTER 1998, 2000). Die Universität Rostock besaß eine geologische und mineralogische Sammlung, die von Bergrat GIESEKE im Jahre 1803 Grund gelegt wurde. Sie wurde besonders durch den um die Jahrhundertwende in Rostock tätigen, international bedeutenden Geologen Prof. Dr. Eugen GEINITZ (tätig 1878-1925) vermehrt. Mit der Umsiedlung der Geowissenschaften an die Universität Greifswald im Jahre 1968 verlor Rostock diesen Fundus. Die Lücke ist spürbar im Bereich der Ökologie, wo Geologie und Geomorphologie wesentliche Grundlagen der Landschaftsökologie und der maritimen Ökologie stellen. Sie ist weiterhin kaum zu schließen im Bereich der Evolutionsforschung und der Phylogenetik der Tiere. Hier fehlt die Paläontologie. Daher wurde wieder eine Fossiliensammlung angelegt, unter Mitwirkung von Dr. Peter FRENZEL sowie der Rostocker Gesellschaft für Geschiebekunde.

Ein besonderes Fossil ist uns geblieben. Unbeachtet lag in der Zoologischen Sammlung der Universität seit Menschengedenken in einem verstaubten Kasten eine steinerne Platte mit dem nur undeutlich wahrnehmbaren Skelett eines Ichthyosauriers, einem Vertreter der im Erdmittelalter blühenden Fischechsen. Es stammt aus dem der ZSRO überlassenen Berstand von Privatdozent Dr. A. Ch. SIEMSSEN (1768-1833), dem „Vater der meklenburgischen Thierkunde“. Vermutlich veranlasste die Unansehnlichkeit des Objekts, es für einen bloßen Abguss zu halten und nicht mit den übrigen Belegstücken abzuschleppen. Die Reinigung brachte es an den Tag: Es handelt sich um ein Original: Rostocks einziger „richtiger“ Saurier. Hinzu kam als Dauerleihgabe von Dr. Katharina SPRINGER ein weiteres Prachtexemplar.

Funktionen

Die Sammlung ist auf Grund ihres Grundkonzepts der akademischen Lehre auf das ganze Tierreich weltweit ausgerichtet und grundsätzlich keine Regionalsammlung. Unterschiedliche Funktionen treffen sich: • Forschungssammlung mit Belegen aus aller Welt für Neubeschreibungen von Arten (Typusmaterial) und wissenschaftliche Publikationen. Hervorzuheben sind die etwa 500 Typen, u. a. von H. F. LINK, F. P. MÜLLER und C. F. A. RADDATZ. • Lehrsammlung für Studierende (Artenkenntnis, Anatomie, Histologie, Materialkunde). • Lehrsammlung für die Öffentlichkeit (Schulen, Gruppen, Naturkundemuseum in der „Kulturmeile“ von Rostock). • Beleg- und Vergleichssammlung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostsee. • Arbeitssammlung für Faunistik, Naturschutz und Natur-Management. Der Bestand wird heute gezielt auf die aktuell im Hause betriebene Forschung hin erweitert, besonders Vögel und Fische unter den Wirbeltieren, Krebse, Borstenwürmer, Weichtiere und andere Meerestiere unter den Wirbellosen. Das historische Material wird für die Biodiversitätsforschung aufbereitet und verfügbar gemacht, aktuell die international bedeutenden Bestände an Mollusken und Skorpionen. Die Sammlung ist somit integraler Bestandteil der Allgemeinen und Speziellen Zoologie. Der immer wieder in den Vordergrund tretende Schau-Effekt betrifft nur einen kleinen Teil der Objekte und ist eine erwünschte Nebenfunktion für die Bereiche Lehre und Öffentlichkeitsarbeit. Das Anliegen der wissenschaftlichen Sammlung ist multifunktional: • Die Original-Objekte aus dem Tierreich werden in geeigneter Konservierung (auch zu Zwecken molekularbiologischer Auswertung) verfügbar gemacht. • Bereitstellung aller Publikationen über diese Objekte. • Sammlung aller biographischen Daten der beteiligten Sammler, Stifter und Wissenschaftler. Dadurch wird die Sammlung über die Naturgeschichte hinaus zu einem Teil der nationalen Kulturgeschichte.

Situation und Perspektiven

Über die „Vereinigung der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg“ (A. VON MALTZAN), die zwar 1945 erloschen, dennoch 1998 ihr 150 jähriges Jubiläum beging, über Fachgruppen des „Naturschutzbund Deutschland“ (NABU) und die „Gesellschaft für Geschiebekunde“ wirkt die Zoologische Sammlung über die Universität hinaus in den weiteren Kreis aller an der Natur Interessierten. Die Sammlung ist Mitglied im Museumsverbund Mecklenburg-Vorpommern.